J.S. Bach: Weihnachtsoratorium
Teile 1-3, 6
10. Dezember 2023, 17:00 Uhr, Petruskirche in Düsseldorf-Unterrath, Am Röttchen 10
Ausführende
Natalie Mol, Sopran
Angela Weissbrod, Sopran (Engel)
Angela Froemer, Alt
Bohyeon Mun, Tenor
Rolf Scheider, Bass
apollo-chor salve musica e.V. und Orchester
Kantorei und Jugendkantorei der Petruskirche
Projektchor des Luisengymnasiums
Jugendkantorei der Gustav-Adolf-Kirche
Marienchor der Kirche St. Mariä Empfängnis
Leitung: Christiane Sauer
gefördert durch:
Abgesang
Die letzten Trompetentöne des Konzerts sind verklungen. Die wunderbare Musik Johann Sebastian Bachs hat ihre Wirkungen entfaltet und begeisterte die Zuhörenden. Ihr Dank waren stehende Ovationen für die Musikerinnen und Musiker, die wirklich alles gegeben haben, für die Solist*innen, die mit ihrer Stimmkunst brillierten und für die Chöre, die über sich hinauswuchsen.
Besonders berührten die Jugendchöre das Publikum in unserem Konzert. Deren Beteiligung passt gut dazu, dass auch die bachschen Chöre in Leipzig aus Schülern bestanden. Jetzt möchte sich der apollo-chor bei den Mitwirkenden für deren Engagement und beim Publikum für den begeisterten Zuspruch bedanken.
Aus dem Programmheft
Der Compositeur und seine Ideen
Im Jahr 1734 fasste Bach den Entschluss für die Komposition des Weihnachtsoratoriums. Er nutzte dafür die Adventszeit, in der die Kirchenmusik bis zum Weihnachtstag schweigen musste. Drei Wochen für die Komponieren, das Kopieren der Noten und das Einstudieren des Werks für die Musiker und die Thomaner ist höchst knapp bemessen. Bach hatte im Jahr davor drei Huldigungskantaten für das sächsische Herrscherhaus verfasst und zusammen mit dem Collegium Musicum zu Geburtstagen des Kurprinzen Friedrich und der Kurfürstin Maria Josepha und zum Jahrestag der Wahl des Kurfürsten Augusts III. zum König von Polen aufgeführt.
Auf diese Kompositionen griff Bach zurück und konnte recht viele Chöre und Arien als Vorlage für das Oratorium verwenden. Der Textdichter verfasste das Libretto auf die vorliegenden Melodien und Bach passte die Klänge geschickt an den veränderten literarischen Text an. Das Parodieverfahren, also die eigene Musik zu kopieren und umzuwidmen, war allgemein üblich. So wurde jetzt aus den für den Augenblick geschaffenen Gelegenheitsstücken ein Werk für die Ewigkeit. Bach konnte als überaus fleißiger Mensch zusammen mit seinem mutmaßlichen Textdichter Picander das dreistündige Werk vollenden. Als Bezeichnung wählte er den Begriff „Oratorium“, was nach einer Lexicon-Definition von 1732 „eine geistliche Opera, oder musicalische Vorstellung einer geistlichen Historie“ ist, die als „Composition an allem reich seyn (muss), was nur Kunst sinnreiches und gesuchtes aufzubringen vermag.“ Das war für die Leipziger Verhältnisse ein Zwiespalt, denn eine weltliche Oper gehörte nicht in die Kirche. So bestand das Werk aus einzelnen Kantaten und war zugleich als einheitliches, im Zusammenhang komponiertes Oratorium zu verstehen. Jedes Teilstück gehörte zu einem der sechs Festtage zwischen dem ersten Weihnachtstag am 25. Dezember und dem Dreikönigstag am 6. Januar. Alle Kantaten, mit Ausnahme der instrumentalen Einleitung des zweiten Teils, beginnen mit einem Chor und werden von einem Choral abgeschlossen, die miteinander korrespondieren. Der wiederkehrende Aufbau in den Kantaten folgt dem pietistischen Muster „Lesung – Betrachtung – Gebet“. Bach ging es um Verkündigung und Erbauung der versammelten Gemeinde. Heute wird das Werk meistens im Advent und nur in Teilen aufgeführt. Damit geht allerdings die ursprüngliche liturgische Bedeutung der Musik verloren.
Himmlische Musik
Der musikalischen Form nach besteht das Weihnachtsoratorium aus Chorälen, aus freien Chören, aus einfachen und begleiteten Rezitativen und aus ein- und mehrstimmigen Arien. Die Choraltexte sind von bekannten Komponisten der Barockzeit. Die Musik dazu erscheint mit wenigen Ausnahmen mit den bis heute geläufigen Melodien. Sie schlägt eine Brücke über die Zeiten hinweg zum Hörer der Gegenwart. Die freien Dichtungen von Picander sind als Arien, Chöre und Accompagnato-Rezitative vertont worden. Oftmals fungiert in den Liedern ein Stichwort, das im folgenden Musikstück aufgegriffen wird, als inhaltliches Verbindungsglied. Grundlegend ist der Text der Heiligen Schrift, der den Evangelien nach Lukas (in den Teilen I–IV) und Matthäus (Teile V–VI) entstammt und als Rezitativ vorgetragen wird.
In Teil I geht es um den Gegensatz von Niedrigkeit und Majestät: „Er ist auf Erden kommen arm“ (Sopran) – „Großer Herr, o starker König“ (Bass). Jesus Christus ist als wahrer Mensch und wahrer Gott geboren. Die Begegnung von Himmel und Erde wird im zweiten Teil in sinfonische Musik umgesetzt, die die Engel (Flöten und Streicher) und Hirten (Oboen) miteinander vereint. Die Hirten spielen eine schlichte Weise, um dann in die himmlischen Motive der Engelsmusik einzustimmen. Der dritte Teil hat als thematischen Schwerpunkt die Polarität von Gott und Mensch, die in Jesus Christus versinnbildlicht ist. Wenn der Chor im Teil VI dann im letzten Choral den abschließenden Satz „Bei Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht“ singt, löst sich die Frage nach Gefahr und Geborgenheit, von Himmel und Hölle auf.
Wahrscheinlich hat Bach, wenn nicht das Ganze, so zumindest Teile des Oratoriums in späteren Jahren erneut aufgeführt, doch gibt es hierzu keine Belege. Das Werk geriet in Vergessenheit, wie die meisten Vokalwerke Bachs, und fiel nach seinem Tod in einen hundertjährigen Dornröschenschlaf. Selbst Mendelssohn, der mit der Wiederaufführung der Matthäus-Passion im Jahre 1829 die Bach-Renaissance einleitete, nahm das Werk nicht zur Kenntnis. Erstaunlich spät wurde das Weihnachtsoratorium wieder bekannt. Original-Partitur und -Stimmen kamen über Carl Philipp Emanuel Bach in die Hände Carl Friedrich Zelters und der von ihm geleiteten Berliner Singakademie. Im Jahre 1857 führte diese das Werk zum ersten Mal nach Bachs Tod wieder auf. Danach begann seine Popularisierung. Das Weihnachtsoratorium trat einen Siegeszug durch die Kirchen und Konzertsäle der Welt an und ist geradezu unsterblich geworden.