„ … und es geht wieder aufwärts!“


Ein statistischer Rückblick auf die chorische Entwicklung in Düsseldorf

von Martin Held

Als ich mich 2009 für das 90-jährige Jubiläum mit der Geschichte des Chorverbandes Düsseldorf befasste, arbeitete ich auch parallel die vorhandenen Unterlagen statistisch auf. Ich war erstaunt und überrascht über die schwankenden Bewegungen und ihre Einflüsse. Da Zahlen und Graphiken in einem Jubiläumsbeitrag nicht gerade ‚prickelnd‘ sind, hob ich mir das für später auf und nun ist es soweit!

Die Geschichte beginnt des Chorverbandes mit der „Vereinigung Düsseldorfer Männergesangvereine e.V.“

Die Gründungsversammlung des heutigen Chorverbandes Düsseldorf fand am 13. Oktober 1919 „Im alten Brauhaus“ in der Schadowstraße 22 statt. Der Chronist vermerkt hierzu: „Damit waren 30 Männerchöre vorerst sangesbrüderlich miteinander verbunden. Was uns allerdings unerklärlich bleiben wird, ist, dass man hierbei die gemischten Chöre übersehen hat“.

Der Anstieg entwickelte sich annähernd kontinuierlich über 60 Chöre im Jahr 1927 bis auf 100 Chöre im Jahr 1943 und hielt sich dort bis 1961, wenn man von dem Einbruch durch die Wirren des 2. Weltkriegs auf 42 Chöre mit rund 1.500 Sängern im Jahr 1946 absieht. Dies ist gleichzeitig auch der einzige äußere ‚Einfluss von Welt‘ auf die bisherige Entwicklung des Chorverbandes Düsseldorf.

Bei der Neugründung nach Kriegsende im „Haus Dietrich“ am 17. März 1946 waren dann wieder 35 Chöre vertreten und die Versammlung sprach sich „erstmalig“ dafür aus, dass neben den Männergesangvereinen auch die gemischten Chöre und die Arbeitergesangvereine mit in die neue „Düsseldorfer Chorvereinigung“ aufgenommen werden sollen.

Wessen anderen Geistes Kind man damals war, geht aus dem ersten Weihnachtsbrief des Vorstandes an die Mitgliedschöre hervor: „Lasst auch im kommenden Jahr nicht nach, das Beste zu leisten, was die Umstände erlauben. Steht weiterhin in aufopfernder Treue zusammen in der Pflege und zur möglichsten Vervollkommnung des deutschen Männergesanges. Möge das deutsche Lied über den Trümmern aufsteigen mit kräftigem Flügelschlag“.

Ab 1961 geht die Anzahl der Männerchöre fast kontinuierlich bis 1994 auf 35 Chöre zurück und erreicht damit annähernd wieder die Anzahl des Gründungsjahres.

Mitglieder1Anzahl Chöre in Düsseldorf

Dieser Rückgang wird positiv überlagert von den gemischten und Frauen-Chören sowie den Kinder- und Jugendchören, die unerklärlicherweise erst ab 1953 statistisch erfasst und 1961 mit zusammen 19 Chören – im Jahr 1994 mit 15 Chören, verzeichnet sind. Mit den Männerchören zusammen wird in dem Jahr 1961 auch mit 119 Chören die höchste jemals im Verband erreichte Mitgliederzahl erreicht. Während sich die Anzahl der Männerchöre in den folgenden Jahren weiter reduziert, nehmen die anderen Chorgattungen weiter zu und heben im Jahr 2012 mit 36 Chören die gesamte Mitgliederzahl auf wieder 60 Chöre an, mit wohl weiter steigender Tendenz. Damit ist jedoch erst das Niveau von 1927 wieder erreicht.

Leider hört die umfangreiche und chronologisch geschichtliche Dokumentation mit dem Jubiläumsjahr1959 (40 Jahre) und einer nur den Festakt des Jubiläumsjahres 1989 (70 Jahre) beschreibenden Unterlage auf, sodass hinsichtlich einer weiteren Analyse der Chorgattungen und der Beendigung ihrer Tätigkeiten keine Aussagen gemacht werden können.

Eine in den Annalen enthaltene Seite allerdings mit einer Auflistung über „Gesangvereine, die heute nicht mehr bestehen“ führt 55 Chöre auf, die zu rund 70 % Männerchöre der Gründungsjahre 1818 bis 1926 und zu rund 25 % gewerbliche und Werks-Chöre (plus 5 % andere) betreffen. Vielleicht mag dies eine Begründung für die Rückläufigkeit sein, auch neben der Tatsache, dass einige Chöre fusionierten bzw. sich zusammengeschlossen haben. Sicherlich spielen auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle, denn die Mitgliederzahl der Aktiven ist von 2.500 (1978) auf 1.525 (2012) und die der Fördernden von 1.800 auf 713 im gleichen Zeitraum zurückgegangen.

Was können wir selbst heute tun? Wie können wir gegensteuern bzw. welche Konzepte können greifen?

Ich möchte dies kurz am Beispiel unseres „apollo-chor salve musica e.V.“ darstellen, der in relativ kurzer Zeit eine bewegte, ja fast schillernde Entwicklung durchgemacht hat und der von Anfang an von unserer noch heutigen Chorleiterin Christiane Sauer geleitet wurde. 1996 mit 16 Mitgliedern als Singkreis begonnen, wurde er 1998 ein eingetragener und gemeinnütziger Verein und ist seit 2009 Mitglied im Chorverband Düsseldorf. Er spaltete sich 1999 annähernd um die Hälfte auf 10 Mitglieder, wegen an sich unnötiger Auseinandersetzungen über das Vereinskonzept: Die Vorstellungen einiger Mitglieder über ihr Können waren größer als das seinerzeitige Leistungsvermögen.

Wir dümpelten ein paar Jahre dahin und vereinten uns 2002 auf der Suche nach einem betriebstauglichen Klavier in einem langwierigen amtsgerichtlich gesteuerten Prozess mit dem sich in Auflösung befindlichen „Apollo Chor Düsseldorf 1924 e. V.“ Hinzu kamen 14 Aktive, Fördernde und Ehren-Mitglieder, mit denen wir die Gesamtzahl 26 erreichten. Leider gab es bis 2008 sukzessive Jahr für Jahr einzelne Abgänge wieder zurück auf 15 SängerInnen. Die Gründe dafür waren zum einen alters- und krankheitsbedingt, zum anderen lagen sie an dem schwierigen Anpassen der nur MGV-gewohnten Mitglieder an Frauenstimmen, an der gemischten Intonation und wohl auch an einer anderen Art und Weise der Chorleitung.

2008 nahmen wir Mitglieder aus der sich auflösenden Kantorei der Gustav-Adolf-Kirche Gerresheim auf, die mit uns seit 1999 bereits bei Konzerten kooperierte. Die Gründe für die Auflösung lagen einmal in der Zusammenlegung von drei Kirchen auf einen Standort und der damit verbundenen Neustrukturierung und zum anderen in der Verfügung über die drei vorhandenen Chöre zu einer Kantorei im Stile ‚Schröderscher Basta-Mentalität‘ des Presbyteriums. Auch hier gab es dann erst einmal auch alters- bzw. krankheitsbedingte Austritte sowie wegen anderer Unzufriedenheiten mit der Folge einer Reduzierung auf 25 Mitglieder bis zum Jahr 2010.

Mitglieder2apollo-chor salve musica:  Mitgliederentwicklung

Von da an kehrte relative Ruhe ein und es gelang uns ein weiterer „natürlicher“ Zuwachs auf heute 35 SängerInnen durch Überzeugung in der Arbeit und durch Mundpropaganda trotz vergleichsweise hoher monatlicher Mitgliedsbeiträge. Zur Zeit umfasst unser Verein mit 23 Sängerinnen und 10 Männern nur aktive Mitglieder.

Zudem verstärken wir uns seit 2010 durch einen Projektchor des Städt. Luisen-Gymnasiums, den ebenfalls unsere Chorleiterin Christiane aufgebaut hat und leitet. Das Konzept dieses schulischen Projektes „Schüler – Eltern – Lehrer“ ist die Einstudierung eines klassischen Werkes mit abschließender Aufführung des Erarbeiteten. Als Pilotprojekt begonnen, wird es nun nach drei Jahren zu einer dauerhaften Einrichtung, durch eine schriftliche Vereinbarung gegenseitig versichert zwischen der Schulleitung und unserem Chor, was von Jahr zu Jahr durch Verlängerung und Modifizierung bestätigt wird. Wir verdoppeln – und verjüngen – uns damit in der ersten Hälfte eines jeden Jahres für umfangreichere Aufführungsvorhaben.

Diese Darstellung soll Mut machen für die Einleitung von Veränderung. Es kann wieder aufwärts gehen, wenn wir schon bei uns in den Chören unten anfangen flexibler zu werden, nicht einfach verharren, sondern durch neue Wege gegen einen angeblich unvermeidbaren Trend aktiv werden. Der Chorverband NRW fördert auch gemeinsame Seminare, z. B. für Projektvorbereitungen, in Formen von Kooperationen mit nicht antragsberechtigten Institutionen oder Vereinen, wenn der Schwerpunkt der Abwicklung (Koordination, Rechnungswesen usw.) beim antragsberechtigten Verein liegt. Das ist doch schon mal eine ganz praktische Grundlage!

„Singen im Chor ist deshalb nicht ‚out‘, weil es ‚doch gerade da‘ am Schönsten ist!“