Mozart, Messe in c, 2017


10. und 11. Juni 2017

Wolfgang Amadeus Mozart
c-Moll-Messe, KV 427

St. Mariä Empfängnis, Düsseldorf
Das Konzert am 11. Juni war das 19. Benefizkonzert zugunsten der Obdachlosenarbeit des Franziskanerklosters und der Ordensgemeinschaft der Armen-Brüder des hl. Franziskus, Sozialwerke e.V. in Düsseldorf.

Clementine Jesdinsky Sopran
Carolina Rüegg Sopran
Jens Lauterbach Tenor
Joachim Höchbauer Bass

Christiane Sauer Leitung

apollo-chor salve musica e.V. und Orchester
Projektchor des Luisen-Gymnasiums Düsseldorf

DIE MESSE IN C-MOLL KV 427

Die große c-Moll-Messe KV 427 ist ein Meisterwerk der Musikgeschichte, auch wenn Mozart sie nicht vollendet hat. Die Fragmente, die uns heute vorliegen, machen deutlich, wie intensiv sich Mozart mit den großen Komponisten des Barock auseinandergesetzt hat, und wie sie ihn inspiriert haben. Natürlich hat Mozart Bach und Händel nicht einfach imitiert, sondern ihre Kompositionsprinzipien studiert und durch seine eigene musikalischen Fantasie weiterentwickelt.

Die Entstehung der c-Moll-Messe geht auf ein Gelöbnis zurück, das Mozart in einem Brief an seinen Vater vom 4. Januar 1783 erwähnt. Dort berichtet er, dass er an der Einlösung eines Versprechens arbeite. Was war der Hintergrund dieses Gelöbnisses?
In der Zeit, als er um seine spätere Frau Konstanze warb, hatte Mozart gelobt, in Salzburg eine neue Messe aufzuführen, wenn er zum ersten Mal mit seiner angetrauten Frau seine Heimatstadt Salzburg besuchen würde. Am 4. August 1782 heiratete er Konstanze Weber und begann wohl noch im Sommer oder Herbst desselben Jahres mit der Komposition der c-Moll-Messe als Einlösung seines Versprechen.

Als er im Sommer 1783 mit seiner jungen Frau zum Vater nach Salzburg reiste, brachte er die bereits fertig gestellten Teile dieser Messe mit. Sie wurden dort am 25. August 1783 aufgeführt. Es ist allerdings nicht überliefert, in welcher Form die Messe dort zu hören war, ob nur die Teile der neuen Komposition zur Aufführung kamen, oder ob Mozart sie durch Teile früherer Messen ergänzte. Konstanze sang wahrscheinlich die Sopranpartie, aber auch dazu gibt es keine gesicherten Erkenntnisse.

Warum Mozart die Arbeit an der c-Moll-Messe nicht fortführte und zwei Jahre später sogar das Kyrie und das Gloria in eine andere Komposition aufnahm und damit anscheinend den Plan aufgab, das Werk zu vollenden, ist ebenfalls unbekannt. Jedenfalls wurden diese beiden Teile der Messe in dem Oratorium „Davidde penitente“ mit anderen Texten unterlegt und in dieser geänderten Fassung wieder aufgeführt. Mozart war wohl mit dem Oratorium unzufrieden und brachte es später nicht mehr zur Aufführung. Auch die Nachwelt hat diesem Werk wenig Beachtung geschenkt.

Die c-Moll-Messe hingegen ist, auch wenn sie Fragment geblieben ist, bis heute aus den Kirchen und Konzertsälen nicht wegzudenken. Es liegen uns nur folgende Teile dieser Messe vor: Kyrie, Gloria, Sanctus und Benedictus sowie das unvollendete Credo. Aber auch als Fragment ist dieses Meisterwerk ein Meilenstein der Musikgeschichte geworden. Es lässt erkennen, dass Mozart mit diesem monumentalen Werk offenbar anknüpfen wollte an die große Chortradition, wie sie uns in Bachs h-Moll-Messe oder in Händels Messias, aber auch in den großen Chorwerken italienischer Meister begegnet. Auf jeden Fall ist belegt, dass sich Mozart in dieser Phase seines Schaffens intensiv mit den Werken Bachs und Händels beschäftigte, obwohl diese bedeutenden Kompositionen Ende des 18. Jahrhunderts als altmodisch und unzeitgemäß galten. Ob dieser Zeitgeist dazu beigetragen hat, dass Mozart die große c-Moll-Messe nicht vollendet hat, wissen wir nicht.
Gisela Bölling

Abgesang:

Aus der Feder unserer Mitstreiterin Maria Diederichs stammt dieser Abgesang auf die Mühen der vergangenen Wochen und Monate. Er führt plastisch und amüsant vor Augen, dass dem Gelingen die Arbeit vorausgeht.

Mozarts Messe in c – Doppelchöre und Koloraturen

„Sechs Männer sind uns abhandengekommen! Das ist eine Tatsache!“ erklärt Christiane entschuldigend – mit einer dezenten Beimischung von Empörung. „Als ich das Stück auswählte, konnte ich das nicht wissen!“

Wir proben die Messe in c-Moll von Mozart. Das Problem sind die Doppelchöre. Selbst der Sopran und der Alt sind gelegentlich unterbesetzt. Zwei bis vier Sängerinnen schlagen sich wacker … oder verstummen und sehen sich hilfesuchend um. Im Bass und Tenor ist dies allerdings Dauerzustand. Kein Wunder, dass die verbliebenen Männer – unterstützt durch eine stimmgewaltige Bassfrau – als seltene Spezies gehegt und gepflegt werden.

Trotz guten Willens auf allen Seiten – die Wellen der Empörung schlagen gelegentlich hoch: Ein Sänger hat sich in einer Probe hinter einer Säule platziert. Okay, er hat seine Gründe dafür. Alle anderen infrage kommenden Plätze sind besetzt. Erst nach vereinten Bemühungen, sowohl von Chorleitung als auch von Mitsängern, wird der Platzwechsel vollzogen.

In einer anderen Probe empört sich einer der männlichen Sänger: „Ich habe auf die Uhr geschaut! Von anderthalb Stunden Probenzeit haben wir ganze 10 Minuten gesungen! Immer nur der Sopran – in x-facher Wiederholung. Ich verstehe gar nicht, warum die nicht mal zu Hause üben. Wir dagegen, wir singen einmal und alles ist gut!“

Nicht nur die Doppelchöre sind problematisch. Mozart liebt Koloraturen. Das „A-a-a-men“ im „Cum Sancto Spiritu“ erstreckt sich in Achteln über zehn Takte, in denen es nach einem nur schwer durchschaubaren System – garniert mit Halbtönen – mal rauf und runter geht. Eine zusätzliche Herausforderung für mich als Neuling im Sopran: Immer wieder geht es in schneller Tonfolge über das hohe F hinaus.

Der Donnerstag-Chor trifft sich nach der Probe zum gemütlichen Beisammensein in der Kneipe. Als ich meine Besorgnis über die gefährlichen Läufe äußere, werde ich getröstet.

„Nun ja, wir sind nun mal alle keine Profis. Aber in jeder Stimme gibt es ein paar, die das können. Ich versuche, zumindest die erste Note von so einer Vierergruppe zu erwischen. Aber ich weiß auch, wann ich leise singen muss.“

Mäßig getröstet übe ich weiter und siehe da, es gibt immer wieder geradezu wohlklingende Passagen.

„Jesum Christum, Filium“. Wir singen auf Latein. Kein Problem, die Textteile wiederholen sich. „Kyrie eleison, elei-ei-son. Eleiso-o-o-on“ Sie wandeln sich. „Cum sa-a-a-ncto spiritu-u-u …“ und immer wieder „Amen!“

„Leute!“ Christiane winkt ab und zieht die Stirn in strenge Falten. „An dieser Stelle sollt ihr seufzen. Wie oft muss ich das noch sagen! In jeder Stimme, und zwar jeder Einzelne von euch. Klagt, jammert, fleht um Gnade!“

Die erste Klavierprobe – beide Chöre proben gemeinsam. Das „Qui to-ollis!“ erfüllt mich mittlerweile mit Freude und Bewunderung über die Kunstfertigkeit Mozarts. Acht Stimmen weben sich ineinander. Nur wenige Töne voneinander versetzt erklingen klagend und seufzend die gleichen Worte. Mal hoch, mal tief, mal laut mal leise. Und, oh Wunder, Christiane lässt längere Passagen durchsingen. Gelegentlich heißt es sogar: „Ich habe gewusst, dass ihr das könnt!“

„Dominus Deus Sabaoth!“ Die Einschläge kommen näher. Klavierprobe, Instrumentalprobe und Organisatorisches wechseln sich ab. Kein Zweifel, mit Riesenschritten geht es – nach nunmehr fast einem halben Jahr Probenzeit – auf das nächste Konzert los. Plakate werden geklebt, Eintrittskarten verkauft, Schnittchen geschmiert (fürs Orchester), gekocht und gebacken (fürs kalte Buffet), Stühle organisiert, die Orgel geschleppt und – last, but not least: die Kleiderordnung diskutiert.

Und endlich ist es so weit.

Die Kirche ist gut besetzt und erwartungsvolle Stille hat sich über Publikum und Aktive gelegt. Christiane – wie immer in roter Robe und hohen Schuhen – steht mit ausgebreiteten Armen vor uns, ein freudiges und erwartungsvolles Lächeln auf dem Gesicht.

„Kyrie …!“ Ein perfekter Einsatz, ein klares „K“ im Sopran, die anderen Stimmen folgen dem Beispiel. Solisten, Chor und Orchester – alle sind bereit, ihr Möglichstes zum Gelingen des Konzertes beizutragen. „Graaaatias!“ Der Glaube ans Gelingen wächst, blüht und gedeiht … bis schließlich das letzte „Osan-na“ verklingt.

Christiane hält die Spannung über den letzten Ton hinaus, der nur zögerlich und mit Nachhall verklingt. Nach einer gefühlten Ewigkeit lässt sie die Arme sinken und lächelt. Beifall erklingt, Standing Ovations. Auch bei uns stellt sich nun, wenn auch zaghaft, Freude ein.

Wir waren gut! Und auch wenn das eine oder andere vielleicht nicht ganz perfekt war … wir haben unser Bestes gegeben!

Maria Diederichs